Trotz Krisen und Trockenheit:
Landwirte geben der Natur ihren Raum

Pressemeldung

Zwischen zwei Ackerschlägen des Uckermärker Landwirts Stefan Bernickel ist im Juni ein Streifen mit Phacelia lila erblüht. Phacelia ist ein heiß begehrter Bienenschmaus. Foto: MMieke

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Landwirtschaft ist mehr als die Diskussion über Stilllegung und Fruchtartenwechsel

(Teltow, 9.8.2022) Der spät gefundene politische Kompromiss des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir zur vorüber gehenden Aussetzung der Stilllegungspflicht von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen rüttelt in keiner Weise an der verantwortungsvollen Einstellung der Brandenburger Landwirte zu ihren natürlichen Produktionsmitteln Boden und Wasser oder zu ihrer Umwelt. Er ermöglicht hingegen zusätzlich die Übernahme von mehr Verantwortung für die Ernährungssicherung.

Dazu der Präsident des Landesbauernverbandes Henrik Wendorff:
„Wir sollten diese Lösung als das sehen, was sie ist: Eine notwendige und praxisnahe Entscheidung für die effiziente Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die heimische Getreideproduktion. Sie ermöglicht einen Beitrag der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland zur Ernährungssicherung unserer Bevölkerung. Negative Bewertungen dieser Lösung dienen nicht der Sache. Sie geben uns jedoch Anlass, einmal laut über die vielen ökologisch wertvollen Maßnahmen zu sprechen, die wir Landwirtinnen und Landwirte jenseits von Brache und Fruchtfolgevielfalt seit Jahr und Tag in Brandenburg praktizieren.“

Aktuell sind in Brandenburg etwa 40.800 Hektar von insgesamt derzeit 1.227.400 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche Brachland, auf denen sich Biodiversität ungestört entwickeln kann. Das sind bereits mehr als drei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Brandenburgs. Dies erfolgte freiwillig. Nicht aus Zwang, sondern unternehmerisch flexibel je nach Einschätzung der ökologischen Situation. Dieser Grundsatz muss erhalten bleiben.

Rund 400 Landwirte beteiligen sich seit 2020 am Programm der damaligen Landesregierung zur Förderung von ein- und mehrjährigen Blüh- sowie Ackerrandstreifen auf konventionell bewirtschafteten Ackerflächen. Das sind nahezu zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe. Bereits ein Jahr später wurden die Fördervoraussetzungen für Blühstreifen stark eingeschränkt. Unabhängig davon pflegen die Landwirte die einmal angelegten Blühstreifen aktiv als Bienenweiden weiter oder legen neue, kilometerlange Ackerstreifen an, da dies aus ihrer fachlichen Sicht ökologisch sinnvoll ist.

Landwirtschaftliche Betriebe in Brandenburg halten überdurchschnittlich große Abstände zu Gewässern ein. Geboten sind mindestens drei Meter bis zur Uferböschung, auf denen nicht gedüngt oder Pflanzenschutz ausgebracht werden darf. In der Praxis legen Betriebsleiter auch aus bearbeitungstechnischen Erwägungen heraus häufig größere Abstände von bis zu sechs Metern oder mehr fest. So addieren sich etliche landwirtschaftliche Areale um Gräben, Sölle und Teiche zu wertvollen Flächen der Artenvielfalt, ohne dass es Eingriffe des Staates oder der Ratschläge einzelner Gruppen bedarf.

Brandenburgs Landwirte praktizieren landesweit schonende, pfluglose Bodenbearbeitung. Sie bauen Zwischenfrüchte für eine winterliche Gründecke zur Verbesserung und langfristigen Erhalt der Bodengesundheit an. Sie säen per Mulchsaat in die von der Vorfrucht hinterlassene organische Masse, unter der die Bodenfeuchte erhalten bleibt. Sie ergänzen Fruchtfolgen mit Kulturen wie Erbse und Sonnenblume. Die Landwirte setzen auf neue trockenheitsresistente Kulturen, um der exorbitanten Trockenheit zu begegnen. Die Anzahl der Leuchtturmprojekte zu produktionsintegriertem Artenschutz, zur regenerativen Landwirtschaft, zum Wassermanagement, zu Agroforst oder mechanischer Unkrautregulierung und nicht zuletzt zu Kreislaufwirtschaft mit Nutztieren wächst stetig. Hinter jedem dieser Projekte stehen hoch engagierte Landwirtinnen und Landwirte.

Henrik Wendorff:
„Der Schutz unserer begrenzten Ressourcen ist für uns Berufsehre, über die wir viel zu wenige Worte verlieren. Wir laden daher die Kritikerinnen und Kritiker der aktuellen Entscheidung für den Aufschub des Stilllegungsgebotes ein, im Dialog mit uns Landwirten zu verstehen, welche Ökosystemleistungen wir erbringen. Unser Engagement für Klimaschutz und Artenvielfalt ist sowohl Bestandteil unseres Berufsethos‘ als auch unseres Produktionsalltags und findet unabhängig von der politischen Agenda für uns selbstverständlich statt.“