Bundeskanzler informierte sich zu
Wolf und Weidetierhaltung
Pressemeldung
(Teltow, 7.9.2024) Im Rahmen seiner Sommerreise legte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Funktion als direkt gewählter Abgeordneter heute einen Stopp in der Geschäftsstelle des Landesbauernverbandes Brandenburg in Teltow Ruhlsdorf ein. Teltow ist Teil des Wahlkreises 61 des Bundeskanzlers, der Potsdam, Potsdam Mittelmark II und Ludwigsfelde umfasst.
Das Interesse des Kanzlers galt den Herausforderungen der Brandenburger Weidetierhalterinnen und -halter. Ähnlich wie die Landwirtinnen und Landwirte kämpfen diese mit den stark gestiegenen Kosten bei Betriebsmitteln und Löhnen. Die Vermarktung von Schlachttieren ist oft nur deutschland- oder europaweit möglich, der deutschlandweite Ausbruch der Blauzungenkrankheit trifft Brandenburgs Weidetierhalter daher besonders hart. Zudem ringen diese seit Jahrzehnten um eine pragmatische Lösung im Umgang mit der exponentiell steigenden Anzahl von Wölfen im Land Brandenburg, die regelmäßig deren Tiere reißen und bereits viele Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter zur Aufgabe ihrer Haltungen veranlassten.
„Die Regelungen zur Entnahme von verhaltensauffälligen Wölfen treten erst in Kraft, wenn erste Weidetiere bereits gerissen sind“, beschrieb Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, das Problem. „Wir brauchen die Zustimmung Deutschlands zum Vorschlag der EU-Kommission, den Schutzstatus des Wolfes im europäischen Recht von „streng geschützte Art“ auf „geschützte Art“ herabzusenken. Das erweitert im Nachgang den Handlungsspielraum für ein regionales Bestandsmanagement.“
Der Bundeskanzler bestätigte unumwunden seine Aufgeschlossenheit gegenüber einer Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene. „Weidetierhaltung sichert die nachhaltige Bewirtschaftung von Dauergrünland. Darum müssen wir alles dafür tun, die Landwirtinnen und Landwirte zu unterstützen und zeitnah eine für alle tragfähige Lösung zum Thema Wolf finden“, bekräftigte er.
Jonas Scholz, der stellvertretende Vorsitzende des Schafzuchtverbandes Berlin Brandenburg (SZVBB) und Schafzüchter, dessen friedlich grasende Gotländische Pelzschafe die Kulisse des Gespräches im Garten der LBV-Geschäftsstelle bildeten, betonte parallel die immense Bedeutung der weiterhin hundertprozentigen Förderung des präventiven Herdenschutzes, dessen wichtigste Werkzeuge die Wolfszäune sowie Herdenschutzhunde sind. „Ohne diese Förderung ist gerade Schafhaltung in Brandenburg nicht mehr möglich“, betonte er.
Jonas Scholz als auch die ebenfalls anwesenden Berufskolleginnen und Kollegen Anja und Helmut Biermann sowie Detlef May, Geschäftsführer der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung e.V. (LVAT), erklärten dem interessiert nachfragenden Kanzler zudem die Folgen der derzeit grassierenden Blauzungenkrankheit bei Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden. Auch die massiv zugenommenen Dokumentationspflichten in der Landwirtschaft und für die Tierärzte kamen zur Sprache.
„Dokumentation und Bürokratie müssen einen Zweck erfüllen“, äußerte sich dazu Olaf Scholz. “Wir können nicht ganz auf sie verzichten, aber sollten flächendeckend auf intuitive Technologien setzen. So gelingt es, den Dokumentationsaufwand zu reduzieren.“
Im Namen ihrer Generation der Junglandwirtinnen und Junglandwirte und zukünftigen Betriebsnachfolger wendete sich Marleen Koning, selbst Junglandwirtin und Erntekönigin des Havellandes mit ihrem Anliegen an den Abgeordneten Olaf Scholz: „Planungssicherheit für die Betriebe ist gerade für uns nachrückende Generation wichtig, da wir mit der neuen riesigen Verantwortung für einen solchen Betrieb auch Verantwortung für die bestehenden finanziellen Verbindlichkeiten für Gebäude und Technik übernehmen. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, dass Betriebe mit Biogasanlagen aktuell nicht wissen, welche Rolle ihre Anlagen für die zukünftige Energiesicherung aus Erneuerbaren zukommt. Wir würden gern wissen, wie es damit nun weitergeht.“
Marleen warb zudem für mehr Tempo in der Entwicklung alternativer Antriebe in der Landtechnik und erinnerte an die Forderung aus den #Bauernprotesten, so lange diese Antriebe nicht etabliert sind, den Agrardiesel zu erhalten.
Der Landesbauernverband Brandenburg richtete als Gastgeber die Gesprächsrunde aus, zu der neben LBV-Präsident Henrik Wendorff der stellvertretende Vorsitzende des SZVBB Jonas Scholz, die Tierärztin und Schäferin Anja Bierbaum sowie der Schäfer und SZVBB-Vorstandsmitglied Helmut Bierbaum geladen waren. Zu Gast waren ebenfalls der Geschäftsführer der LVAT, Detlef May, Marleen Koning, Junglandwirtin und Erntekönigin im Havelland sowie Johannes Funke, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Land.
Ziel des Gespräches war es u.a., die kontroversen Positionen zum Umgang mit dem Wolf als in Deutschland streng geschützte Art zu benennen und den Bundeskanzler auf die juristisch enormen Herausforderungen für eine einvernehmliche Lösung für die zügige Entnahme von Problemwölfen aufmerksam zu machen. Der Landesbauernverband schätzt es hoch ein, dass sich der Bundeskanzler dafür die fachliche Expertise der Praktikerinnen und Praktiker einholte, ihre Sorgen in vielen Bereichen ihrer Arbeit anhörte und Impulse für deren Lösung mitnahm.