Kein Plan, keine Ideen, keine Zukunft

Pressemeldung

Henrik Wendorff während des digitalen Landesbauerntags 2022. Foto: MMieke

LBV-Pressestelle

Meike Mieke

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Kein Plan, keine Ideen, keine Zukunft –Bekenntnis zu einer starken Landwirtschaft in Brandenburg vermisst.
Brandenburgs Landwirte führten gestern ihren 13. Landesbauerntag durch. Hohe Erwartungen an politische Signale wichen der Ernüchterung.

(Teltow, 16.3.2022) Henrik Wendorff, LBV-Präsident:

„Ich beende unseren Landesbauerntag mit Ernüchterung. Wir haben viele Vorschläge unterbreitet, die die Landwirtschaft gerade in der aktuellen Situation handlungsfähig macht und sie effizient und nachhaltig wirtschaften lässt. Antworten auf unsere Lösungsvorschläge sind nicht gekommen. Ich sehe weder einen nachvollziehbaren Plan für Landwirtschaft made in Brandenburg, noch Ideen, die möglichst viele der Berufskollegen mitnehmen, noch eine Zukunft, die wir gemeinsam mit unseren politischen Partnern motiviert in Angriff nehmen können.“

Die auf dem 13. Landesbauerntag vorgestellten Konzepte der Landesregierung für die Zukunft der Brandenburger Landwirtschaft beinhalten u.a. die singuläre Förderung der Weidetierhaltung, extensive Grünlandbewirtschaftung mit hohem Flächenanspruch oder die mobile Schlachtung, die die benötigten Schlachtkapazitäten niemals ersetzen kann. Sie sind nur von wenigen Betrieben umsetzbar und als solche realitätsfern, so die Einschätzung des Präsidenten. In der Folge sind derart auf-wendig erzeugte Produkte nur einem finanziell besser ausgestatteten Personenkreis zugänglich.

Henrik Wendorff:
„Das entfernt uns weit vom Anspruch der Brandenburger Landwirtschaft, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu erzeugen, die für alle Bürgerinnen und Bürger erschwinglich sind.
Wir stellen nicht zum ersten Mal eine Überhöhung der Möglichkeiten des ökologischen Landbaus für die Ernährung der Brandenburger und Berliner fest, während die konventionelle Bewirtschaftungsform an den Pranger gestellt wird. Dabei findet der Transformationsprozess hin zu einer Ökologisierung der Landwirtschaft, der jetzt in aller Munde ist, seit Jahrzehnten auf den Betrieben statt, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht, dass ökologisch und ökonomisch zusammen gehen müssen, wenn wir unsere heimische Landwirtschaft erhalten und das Angebot an Lebensmitteln regionaler Herkunft erhöhen möchten.“


Zwei auf dem Landesbauerntag gezeigte Video-Einspieler aus zwei Landwirtschaftsbetrieben, die in Rechts- und Produktionsformen als typisch für Brandenburg gelten können, belegten repräsentativ die Situation in der Brandenburger Landwirtschaft:
Lars-Andreas Sieh, Gut Schmölln, betreibt konventionellen Ackerbau und bewirtschaftet zusätzlich ökologisch und extensiv Grünlandflächen, die das Futter für 75 Mutterkühe der regionalen Rasse „Uckermärker Fleischrind“ mit Nachzucht hergeben. Eine praxisnahe Kombination aus konventionell und ökologisch, die fachliche Expertise, wissenschaftliche Erkenntnisse im Pflanzenschutz, Nachhaltigkeit und Regionalität vereint. Die zukünftige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 bedeuten für ihn jedoch Einbußen in signifikanter Höhe, die ihn dazu treiben, die Rentabilität dieses Produktionszweigs zu überdenken.

Der zweite Betrieb, die Agrargenossenschaft Uckermark agrar eG mit einem Bestand von 1.400 Milchkühen, investiert regelmäßig in die bauliche Verbesserung in die Jahre gekommener Stallanlagen und wartet seit nunmehr mehr als zwei Jahren auf die Baugenehmigung für einen umfangreichen Stallneubau mit einem Investitionsvolumen von mittlerweile 2,2 Millionen Euro. Geplant sind neben dem Stallneubau die Erneuerung von Düngelagern und Anbauten von Auslaufbereichen an ältere Stallanlagen. Das alles unter Beibehaltung des Bestands und mit dem Ziel, mehr Platz und Komfort für die Kühe zu schaffen. Das im Video vermittelte Durchhaltevermögen dieses Betriebes lässt sich jedoch nicht 1:1 auf andere Betriebe ummünzen. Erst im Februar entschied sich wieder ein großer Milchproduktionsbetrieb in Märkisch Oderland aufgrund der nicht stemmbaren Investitionskosten für die Schließung des Produktionszweigs.

Beispiele wie diese verdeutlichen: Nicht erst seit der Invasion Russlands in die Ukraine, die derzeit grundsätzliche Fragen der Ernährungssicherheit in Deutschland, zum bestehenden Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln und zur Abhängigkeit von Öl und Gas aufwirft, müssen sich Brandenburgs Landwirte existenziellen Herausforderungen stellen. Doch die politischen Rahmenbedingungen legen den Betrieben immer wieder Steine in den Weg.

Die Corona-Pandemie und der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest im September 2020 ließ den ohnehin geringen Tierbestand im Land Brandenburg im Mai 2021 mit 684.700 Tieren auf den geringsten Bestand seit 30 Jahren sinken. Im Durchschnitt geben jährlich 30 Betriebe mit Milchviehhaltungen diesen Produktionszweig auf. Unklare Ausweisungen von nitratbelasteten Gebieten erschweren ein fachgerechtes Düngemanagement, welches seinerseits Qualität und Ertrag der angebauten Kulturen sichert. Weitere ungelöste Aufgaben wie das Wolfsmanagement, die Umsetzung der Tierschutztransportverordnung, das Stagnieren der Volksinitiative Insektenschutz konnten in den begrenzten, für den Austausch zur Verfügung gestellten Zeitfenstern der Vertreterinnen der Landesregierung nicht mal gestreift werden.

Betriebsleiter und Geschäftsführer kalkulieren täglich, wie sich die Forderungen nach Reduzierung des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel, nach mehr Biodiversität auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, nach mehr Tierwohl in den Ställen umsetzen lassen, während sie gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität ihres Unternehmens sichern müssen. Die Gewährleistung der betriebswirtschaftlichen Stabilität als Voraussetzung für die Landwirtschaft dafür, Krisen durchzustehen und das System der Selbstversorgung und Ernährungssicherheit aufrecht zu erhalten, war daher Leitsatz und roter Faden des Landesbauerntages 2022.

Im Namen des Vorstands und der Mitglieder des Landesbauernverbandes brachte Henrik Wendorff eine Reihe Vorschläge ein, wie von politischer Seite, schnell, unbürokratisch und effizient gehandelt werden könnte, um Landwirtschaft mit dem gebotenen Fokus auf die Versorgungssicherheit als auch im Einklang mit Umweltleistungen und Klimabewusstsein voran zu bringen. Drei seien hier genannt.

Zum ersten das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) so zu gestalten, um den unterschiedlich auf-gestellten Betrieben die Anwahl sinnvoller Programme zu ermöglichen, die in den Produktionsalltag integrierbar sind. Hier fehle ein Bekenntnis zu den landwirtschaftlichen Betrieben, die sich im Rahmen dieses Programms der nachhaltigen Gestaltung der Kulturlandschaft mittels naturschützender Maßnahmen annehmen sollen, gleichzeitig jedoch ihre landwirtschaftliche Produktion gewährleisten müssen.

Zum zweiten die Umsetzung der seit nunmehr zwei Jahrzehnten auf dem Tisch liegende Leguminosen-Strategie für das Land Brandenburg, um den Anbau von heimischem, gentechnikfreiem, veganem Eiweiß zu befördern und die Stickstoffbindeleistung als auch den Wert für den Insektenschutz dieser Kulturen zu nutzen.

Zum dritten die Eröffnung einer gesellschaftlichen und politischen Diskussion darüber, ob die Stilllegung von Flächen im Rahmen des Green Deals der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 noch eine zeitgemäße Forderung ist.
Weiterführende Antworten auf diese Vorschläge blieb die Staatssekretärin den Landwirten gestern schuldig. Umso deutlicher wies sie wiederholt auf den nötigen Paradigmenwechsel in der Bewertung der Agrarförderung hin – weg von dem flächenbezogenen Einkommenssicherung hin zu an Gemeinwohlleistungen geknüpfte Zahlungen. Den Transformationsprozess in der Landwirtschaft voran zu treiben, sei auch in der aktuellen Krise erklärtes Ziel, betonte sie.

Henrik Wendorff:
„Die Transformation, den Wandel können nur Betriebe meistern, die betriebswirtschaftlich stabil sind und auf dieser Grundlage in eine Zukunft schauen können. Jeder zusätzlichen Maßnahme wie das Anlegen von Blühstreifen, Lerchenfenstern, ökologische Grünland-Bewirtschaftung, Mutterkuhhaltung, Leguminosen-Anbau für die eigene Futtermittelgewinnung oder der Anbau neuer, klimaresistenter Kulturen gehen betriebswirtschaftliche Überlegungen voraus, die – und das ist Betriebswirtschaft Grundkurs – Kosten des Einsatzes von Arbeitskraft, Saatgut, Düngemitteln, Maschinen gegen die Einnahmen aufrechnen.

In der Politik benötigen wir daher einen nüchternen Blick auf die Machbarkeit dieser Maßnahmen, wenn unser gemeinsames Ziel weiterhin sein soll, in der Region gute Landwirtschaft zur Versorgung der eigenen Bevölkerung zu betreiben. Dazu benötigen wir ein uneingeschränktes Bekenntnis zur Landwirtschaft in Brandenburg in all ihren Facetten und Wirtschaftsformen, eine einheitliche Wertschätzung des Berufsbilds Landwirt und ein weitsichtiges Eintreten für eine einkommenswirksame Förderung, um den hohen Standard der Urproduktion in Deutschland aufrecht zur erhalten. Das sehen wir gerade heute als wichtigsten Ansatz in der Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern an.“


Ein Katalog aus 12 Forderungen (->Download)  an die Politik, die der LBV-Präsident zum Ende des Landesbauerntages 2022 an die MLUK-Staatssekretärin übergab, unterstreicht den Bedarf nach schnellen Lösungen. Ob in einem weiteren konstruktiven Austausch mit den Partnern in der Politik in der gebotenen Eile zumindest ein Teil dieser Forderungen umgesetzt werden kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt mehr als offen.